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Die Wallfahrtskirche Maria Dreieichen
Fünf Kilometer außerhalb von Horn liegt eine der schönsten Kirchen des Waldviertels, die Wallfahrtskirche Maria Dreieichen. Sie ist auf einer Hügelkette südlich von Horn erbaut, und ihre prächtigen, weißen Türme grüßen schon von weitem den Wallfahrer oder Wanderer.
Die Gründungsgeschichte, wie sie Pfarrer Pater Berthold Koppensteiner erzählt, reicht in das Jahr 1680 zurück. Damals erkrankte der reiche Horner Kürschnermeister Mathias Weinberger an einer unheilbaren Krebskrankheit. Er machte mehrere Wallfahrten in die umliegenden Kirchen und bat die Muttergottes um Errettung von diesem schrecklichen Leiden. Tatsächlich ging es ihm bald besser und zum Erstaunen der Ärzte wurde er ganz gesund. Niemand konnte das erklären und die Leute sprachen von einem Wunder.
Zum Dank ließ Mathias Weinberger ein ovales Wachsbild, das die Muttergottes zeigte, anfertigen und befestigte das Bild auf einem Eichenbaum, der auf dem Berg wuchs und einen drei- geteilten Stamm besaß.
Bald pilgerten aus der ganzen Umgebung Leute zu diesem Bild und flehten um Hilfe aus der Not.
Da geschah es eines Tages, wie ist nie richtig geklärt worden, daß der Eichenbaum zu brennen begann. Er brannte nieder und das Bild verbrannte mit. Zurück verblieben nur die drei verkohlten Stämme des Baumes.
Der Bauer, dem sie gehörten, beschloß, die Baumstrünke wegzuräumen. Er nahm Säge und Beil und marschierte zur Brandstelle. Dort bemerkte er jedoch zu seinem Erstaunen, daß die verkohlten und verbrannten Stämme wieder zu treiben begonnen hatten und viele grüne Zweige ringsherum aus ihnen hervorwuchsen. Schnell lief er in die Stadt Horn, wo er darüber erzählte.
Eine große Menschenmenge pilgerte daraufhin zu den grünenden Eichenstämmen und bestaunte das Wunder.
Nun halfen die Leute zusammen und erbauten rings um die Bäume eine kleine hölzerne Kapelle. Auch ein neues Bild kam hierher. Ein Bildhauer aus Horn namens Sturmberger schnitzte es aus einem Stück Lindenholz. Es zeigt die Muttergottes mit dem Körper des Gekreuzigten auf dem Schoß. Man kann es heute noch in der Kirche bewundern. Auch die drei verbrannten Eichenstrünke sieht man noch an der Hinterseite des Altares. Sie sind schon fast versteinert.
Die Holzkapelle wurde 1730 durch eine Steinkapelle ersetzt. 1750 errichtete man die jetzige Kirche. Im Inneren der wunderschönen Barockkirche befinden sich Deckengemälde des berühmten Malers Paul Troger, die zu seinen reifsten und schönsten Arbeiten gezählt werden.
Bald wurde Maria Dreieichen weit und breit berühmt, da viele wundertätige Heilungen und Ereignisse hier stattfanden. Wenn man die Schatzkammer besichtigt, so kann man nur mit ehrfurchtsvollem Staunen vor den vielen Dankbezeigungen stehen, welche hier aufbewahrt werden. Wundersame Errettungen von unheilbaren Krankheiten, vor dem Ertrinken, bei gefährlichen Unfällen und bei Unwetterkatastrophen sind in großer Zahl beschrieben.
Heute ist Maria Dreieichen eine der größten Wallfahrtskirchen unseres Landes und jährlich pilgern Tausende und Abertausende Menschen hierher.
Doch schon beginnt Frau Sage, Geschichten und Legenden um die Kirche zu weben.
Alte Leute erzählen die Gründungsgeschichte ganz anders.
Wer von Horn aus nach Nordwesten fährt, der kommt in den Ort Sankt Marein. Das erste, was ihm in dieser Ortschaft auf- fällt, ist eine riesige Kirche, die eigentlich gar nicht zu dem kleinen Ort paßt. Sie war vor langer Zeit eine große Wallfahrerkirche, in der sich das Gnadenbild von Maria Dreieichen befand. Damals gab es noch kein Maria Dreieichen und die Pilgerscharen zogen nach Sankt Marein.
Da geschah es eines Morgens, daß der Kirchendiener erschrocken und verstört zum Pfarrer kam und rief: „Herr Pfarrer, das Muttergottesbild ist aus der Kirche verschwunden. Jemand hat es gestohlen!“ Entsetzt lief der Pfarrer hinzu und wirklich, das wundertätige Bfld war verschwunden. Eben war auch eine große Pilgermenge angekommen. Als die Leute die Nachricht hörten, da begannen sie die ganze Umgebung abzusuchen. Wehe dem Dieb, wenn sie ihn erwischen würden! Weit könnte er noch nicht sein, da es ja zu dieser Zeit noch keine Motorfahrzeuge gab.
Am Nachmittag kam dann plötzlich die Kunde: „Wir haben das Bild gefunden! Es befindet sich auf der anderen Seite von Horn auf einem großen Eichenbaum!“
Die Leute, die raschen Schrittes dorthin eilten, fanden tatsächlich das Bild auf einer mächtigen Eiche, neben der noch zwei kleinere Eichen standen. Sie holten das Bild herunter und trugen es ehrfurchtsvoll unter lautem Gebet zurück nach Sankt Marein. Dort wurde es wieder in der Kirche aufgestellt.
Doch am nächsten Morgen! Das Bild war abermals verschwunden. Schnell eilte man zu den Eichenbäumen und siehe da, es war oben. So ging es noch mehrere Male. Schließlich sagte ein alter und weiser Mann: „Leute, mir scheint, die Muttergottes möchte hier bei den Eichen bleiben, sonst würde doch das Bild nicht jede Nacht auf geheimnisvolle Art und Weise auf diesen Platz zurückkehren. Lassen wir es doch hier und errichten wir hier eine Kapelle, damit es geschützt ist.“ Alle waren einverstanden und so entstand Maria Dreieichen.
Wie immer es auch gewesen sein mag, wir Waldviertler können stolz sein, eine so bekannte und vielbesuchte Wallfahrtskirche zu haben, wo wir mit unseren Sorgen und Nöten zur Muttergottes kommen können, um Hilfe aus der Not zu erflehen.
Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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