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Nikolaus in der Rauhnacht
(aus dem Kapitel: Altes Brauchtum zur Weihnachtszeit)
Vom Nikolaus wird eine Geschichte in Dobersberg erzählt. Diese möchte ich jetzt berichten.
Es war in der ersten Rauchnacht, als eine junge Bäurin aus der Umgebung von Dobersberg beschloß, zum nahen Kreuzweg zu gehen, um dort zu „losen“ und so etwas über die Zukunft zu erfahren. Um Mitternacht schlich sie sich aus dem Haus und lief eilends zum Kreuzweg.
Ruhig und still war die Nacht und kalt glitzerte der Schnee im Mondlicht. Am Kreuzweg angelangt, sprach sie hastig ein Gebet und horchte dann in die Nacht hinaus. Aus der Ferne erklang Hundegebell, im nahen Wald schrie ein Vogel, Räderknarren kam von der Landstraße her und im Dorf brüllte dumpf eine Kuh.
Da sie aus all diesen Geräuschen nicht schlau wurde und ihr außerdem schon sehr kalt war, machte sie sich daran, wieder nach Hause zu gehen.
Als sie beim Tor ihres Hauses hineinging, da hörte sie schon von weitem das Geplärr und Geschrei ihres kleinen Kindes, das wach geworden war und die Mutter suchte. Schnell lief sie ins Schlafzimmer, wo sie das Kind weinend und im Bettchen stehend vorfand. Vergeblich versuchte sie, es zu beruhigen. Schließlich wurde die Frau zornig und sagte: „Wenn du nicht sofort still bist, dann kommt der Nikolo und nimmt dich mit!“ Als das Kind daraufhin noch mehr losheulte, nahm sie es, öffnete das Fenster und hielt es hinaus.
Da fiel plötzlich ein großer Schatten über das Haus, etwas Dunkles packte das Kind und riß es der Mutter aus den Händen.
Diese war vor Schreck und Angst ganz starr. Als sie endlich wieder zu sich kam, da rief sie schnell ihren Mann herbei, der im Nebenraum geschlafen hatte, und beide suchten die ganze Umgebung nach dem Kind ab, jedoch vergeblich. Nur einmal war es ihnen, als ob sie es aus weiter Ferne und hoch in der Luft leise weinen hörten, während ihm eine tiefe und dunkle Stimme gütig zusprach. Niemals mehr hat man etwas über das Kind erfahren.
Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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