Schönbach und das Geheimnis der „Roten Lack’n“

Wenn man vom Kitzlerhof auf einem Güterweg in Richtung Lohn wandert (der Ort Lohn gehört ebenfalls zur Marktgemeinde Schönbach), so erreicht man nach ungefähr einem Kilometer die geheimnisvollen „Roten Lack‘n“.
Hier breitet sich in einem Talkessel eine nasse, sumpfige Wiese aus. Ein kleiner Bach windet sich mitten hindurch zum Kamp hin. Versucht man, zwischen die Ried- und Sumpfgräser, die hier überall wachsen, zu gehen, so schwappt einem braungraues Wasser um die Schuhe und man hat Angst, im weichen
Moorboden zu versinken. Rotbraune Wasserlachen, die überall zu sehen sind, haben diesem stillen und unheimlichen Ort den Namen die „Roten Lack‘n“ gegeben.
Schon seit langer Zeit ist bekannt, daß es hier nicht ganz geheuer ist und manch nächtlichem Wanderer hat ein geheimnisvolles Feuer an diesem Ort Angst und Schrecken eingejagt. So auch einmal einem Knecht, der im Kitzlerhof bedienstet war. Dieser Knecht war als übler Bursche und Trunkenbold bekannt und es ging kaum eine Tanzunterhaltung in der Umgebung vorbei, bei der er nicht wegen seiner Raufhändel genannt wurde.
Eines Tages fand nun in der Ortschaft Lohn der Kirtag statt. Von weit und breit kamen die Leute im Lohner Gasthaus zusammen, um hier bei Speis und Trank, Musik und Tanz, einen gemütlichen Tag zu feiern. Bald ging es auch hoch her und alle waren vergnügt und lustig.
Da erschien an der Spitze einer Schar Burschen der schon erwähnte Bösewicht. Zuerst stürzte er bei der Schank ein Viertel Wein in einem Zug hinunter, drängte sich dann zwischen die Tanzenden und schrie: „Weg da vom Tanzboden, ich brauche viel Platz zum Tanzen. Wenn ich tanze, da hat keiner nebenbei etwas verloren!“ Als einer der anderen Burschen diesem Ruf nicht gleich Folge leistete, da packte er ihn beim Kragen und stieß ihn zwischen die Tische und Bänke, daß dieser zu Boden stürzte und Geschirr und Gläser mit sich riß. Niemand wagte nun mehr etwas zu sagen. Der Knecht packte daraufhin eines der Mädchen um die Mitte und sprang in wildem Tanz auf dem Tanzboden herum. Dabei jauchzte er und sang, daß den Zuschauern Hören und Sehen verging. Schließlich trieb er es so arg, daß die übrigen Kirtagsbesucher die Lust an der Unterhaltung verloren und sie von dem Gedanken getrieben nach Hause gingen: „Heute wird es wieder eine böse Streiterei und Rauferei geben, da möchte ich nicht dabei sein.“
Der Wirt, dem das gar nicht recht war, versuchte den Bösewicht loszuwerden. Dieser aber schrie: „Wirt, halt den Mund und bring lieber was zu trinken, sonst hole ich es mir selbst!“ So ging bis zum Morgengrauen. Der Hahn hatte schon durch lautes Krähen den neuen Tag angekündigt, als der Bursche endlich endlich ermüdet und betrunken den Gasthof verließ und nach Hause wankte. Er sang noch ein wenig vor sich hin, schließlich begann er zu pfeifen, dann wieder zu fluchen und erreichte so das Gebiet der „Roten Lack‘n“. Hier wurde ihm plötzlich ganz unheimlich zumute und er verstummte. Zu seinem Entsetzen sah er ein helles Feuer aus dem Sumpf emporsteigen, das zu einer großen Flamme aufwuchs und auf ihn zukam.
Sein Rausch und seine gute Laune waren rasch verflogen und voll Angst versuchte er so schnell wie möglich den Kitzlerhof zu erreichen. Die jetzt schon baumhohe Feuersäule folgte ihm. Alle Heiligen um Hilfe anrufend, erreichte er mit letzter Kraft die Kapelle beim Kitzlerhof, wo er sich an das Eisengitter des Tores anklammerte und vor Erschöpfung zusammenbrach. Die Flamme, die ihn fast erreicht hatte, verlor durch die Nähe des Muttergottesbildes die Gewalt über den Knecht. Funkensprühend sank sie in sich zusammen und verschwand.
Bauern fanden den total Erschöpften, als sie am Morgen auf die Felder gingen. Sie brachten ihn nach Hause, wo er lange Zeit das Bett hüten mußte.
Das Erlebnis hatte die Wesensart des Knechtes völlig geändert. Er war dadurch zu einem ernsten und besonnenen Menschen geworden. Sein bösartiges Benehmen legte er völlig ab. Nach einigen Jahren heiratete er eine reiche Bauerntochter aus der Umgebung und wurde ein tüchtiger und angesehener Wirtschafter. Seinen eigenen Söhnen aber sagte er, als sie ebenfalls der leichtsinnigen Art seines früheren Lebens verfallen wollten:
„Hütet euch davor, sonst werden euch die „Roten Lack‘n“ bekehren!“

Der Landwirt Hubert Spiegel meinte dazu: „Auch meinem Vater ist dort unten bei den „Roten Lack‘n“ ein seltsames Abenteuer passiert. Er war in Lohn, um ein Viehgeschäft abzuwickeln und ging nachts über die „Roten Lack‘n“ nach Hause. Als er zur Brücke kam, die über die sumpfige Niederung führt, da sah er zwei leuchtende, glühende Männchen, sogenannte „Fuchtelmännchen“, auf der Brücke stehen, die ihm den Übergang verwehrten. Er versuchte zwar vorbeizukommen, da wurden sie größer und größer und verwandelten sich in zwei Flammen, die die ganze Brückenbreite einnahmen. Mein Vater wollte sich mit ihnen nicht anlegen, kehrte um und ging durch den „Toifgrabn“ und über die „Altäcker“ wieder nach Lohn zurück, wo er übernachtete. Als er am nächsten Tag wieder zu dieser Stelle kam, da waren die beiden Fuchtelmänner verschwunden und nichts wies auf das nächtliche Erlebnis hin.

Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
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