|
Zacherl, wo bist Du?
Die drei Kamptalkraftwerke Ottenstein Dobra und Thurnberg wurden in den Jahren 1950 bis 1957 erbaut Sie liefern seither Strom und Energie für das ganze Waldviertel.
Bevor die Kamptalkraftwerke ernchtet wurden, floß hier der Kamp durch ein tiefes unwegsames Waldtal. An dieser Stelle soll vor langer Zeit der Wassermann gewohnt haben Zwei Fischer des Stiftes hatten mit ihm einmal ein gar seltsames Erlebnis, und das war so:
Der Kamp war in dieser Gegend besonders reich an Fischen und Krebsen. Eines Tages machten sich zwei Bedienstete des Stiftes auf, um Krebse zu fangen, welche als besondere Leckerbissen gelten.
Sie gingen vom Stift aus den Kamp entlang,, folgten einem schmalen Weg, der neben dem Fluß einherführte und erreichten schließlich eine Stelle, wo die Kampwasser seicht und ruhig dabinflossen. Zahlreiche Steine lagen im Flußbett, hinter denen sich, wie sie aus Erfahrung wußten, die Krebse verstecken.
Sie krempelten sich die Hosenbeine auf und wateten ins Wasser. Einer hob vorsichtig die Steine empor, der zweite achtete scharf darauf, ob ein Krebs dahintersteckte.
Da war schon der erste. Ein dicker, großer Bursche, mit mächtigen Scheren an dem vordersten Beinpaar. Die Scheren, mit denen er kräftig zwicken kann, hielt er abwehrbereit ausgestreckt, während er rückwärtsschwimmend wegzukommen versuchte. Doch es half ihm nichts. Ein rascher Griff des Mannes, er erwischte geschickt den Krebs beim Rückenpanzer, eine Wurfbewegung mit der Hand und das Tier flog in weitem Bogen ans Land. Dort wurde es gepackt und in einen Sack gesteckt. So erging es vielen seiner Artgenossen.
Die Säcke der beiden Fänger füllten sich bald mit einer krabbelnden, zwickenden und verzweifelten Menge von Krebsen, die vergeblich versuchten, aus ihrem Sackgefängnis zu entkommen.
Dabei verging der Tag und es war schon gegen Abend, als die beiden Krebsfänger endlich genug hatten. Müde gönnten sie sich eine kleine Ruhepause und setzten sich neben die prall gefüllten Säcke, die sie voll Freude über das gelungene Werk betrachteten.
Da begann es plötzlich im Fluß zu rauschen. Hohe Wellen brachen sich an den Ufern, Wirbel bildeten sich in den Wassern und aus einem solchen tauchte eine merkwürdige Gestalt. Entsetzt sahen die beiden Fischer auf das seltsame Wesen mit seinem großen, froschähnlichen Maul, den hervorquellenden Augen und dem mit Schuppen über und über bedeckten mächtigen Körper.
Sie hatten sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt, da öffnete der Wassermann sein breites Maul, ließ ein quakendes Stöhnen hören und rief dann mit lauter Stimme: „Zacherl, wo bist du? Zacherl, wo bist du?“
Den beiden Fischern lief es eiskalt über den Rücken, als sie die Antwort hörten, sie kam nämlich aus dem Sack, in dem sich die Krebse befanden, und lautete: „Hier im Sack bin ich! Hol mich heraus, mich heraus, mich heraus!“
Das war den beiden Männern zuviel. Die Angst im Genick, sprangen sie, so schnell sie die Füße trugen, davon. Erst als sie ein gutes Stück den Berg hinaufgeeilt waren und sich wieder sicherer fühlten, drehten sie sich um.
Im Kamp hatte unterdessen das Rauschen zugenommen. Mächtig wogte das Wasser über die Uferränder und floß auf die Wiese hinaus. Bald erreichte es die Stelle, wo die Säcke lagen und umspülte diese. Da öffneten sich die Säcke und die gefangenen Krebse kamen hervor. Schnell verschwanden sie im Kamp. Bald war von ihnen nichts mehr zu sehen. Der Fluß beruhigte sich und nach kurzer Zeit waren die Wasser wieder still und ruhig wie zuvor.
Die beiden, die sich nach einigem Warten wieder zum Ufer schlichen und ihre leeren Säcke holten, eilten schnell ins Stift zuruck, wo sie ihr Erlebnis erzählten. Lange Zeit wagte sich daraufhin niemand mehr in diese Gegend des Kamptales.
Heute ist hier der 60 Meter tiefe Stausee. Motorboote und Ruderboote fahren auf dem dunklen Wasser, Badende tummeln sich in den Fluten und Erholungsuchende sonnen sich an den Ufern. Vom Wassermann hat man nie mehr gehört.
Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
|
|